Der franzosische Anthropologe Louis Dumont zeichnet die Entwicklung der klassischen deutschen Kultur in Rivalitat zum franzosischen Aufklarungsuniversalismus nach. In Deutschland wurde der dominierende westliche Individualismus im Ruckgriff auf die Werte der religios gepragten Standegesellschaft neuinterpretiert. Dumont benutzt sein zur Studie des indischen Kastenwesens entwickeltes Begriffspaar von Individualismus und Holismus zur Differenzierung der europaischen "Unterkulturen". Zwar war die entstehende deutsche Moderne auch individualistisch, im Gegensatz zum universalistischen Individualismus westlicher Pragung hielt sie jedoch an traditionell holistischen, d.h. ganzheitlichen Elementen fest. Im Unterschied zum abstrakten Individuum des Westens entwarf der fur die deutsche Ideologie paradigmatische Bildungsgedanke das Ideal eines ganzheitlichen Individuums, das seine Personlichkeit im Einklang mit den gesellschaftlichen Notwendigkeiten entwickelt. |